Die britischen Inseln lagen im Altertum am Rande des bekannten Erdkreises. Erst karthagische und griechische Seefahrer rückten das Gebiet näher in das Blickfeld der Mittelmeerkulturen. Seit Caesar tauchte für England und Schottland die Bezeichnung Britannia auf, möglicherweise vom griechischen „Pretanike“ = tätowiert oder „pretan“ = Importzinn.
Besonders wichtig für die Entwicklung Britanniens war das Vorkommen von Bodenschätzen, die für die Römer von größtem wirtschaftlichen Interesse waren: Gold und Silber (Münzprägung), Blei (Schiffsbau, Verankerung, Technisches Gerät), Erze(hauptsächlich in den schwer begehbaren Highlands), Steinkohle (die war zwar lokal bekannt war, von Rom jedoch nicht in ihrer Funktion erkannt wurde), weiterhin Kupfer, Zinn und Salz.
Im 7. Jahrhundert tauchten in Britannien die ersten Eisengeräte auf und leiten die frühe Eisenzeit ein, die bis zur römischen Eroberung dauern sollte.
Um 500 v. Chr. Tauchten mit den Atrebaten, Belgern und Icenern erstmals keltische Einwanderer der La Téne-Kultur auf. Die Einwohner wohnten in den typisch britischen Rundhäusern, die auch nicht in der Spät-La Téne Zeit durch andere Haustypen ersetzt werden.
Ab etwa 100 v. Chr. Wandern aus Nordostfrankreich und Belgien weitere Stämme ein. Auch Caesar berichtet in seinen Commentarii de bello gallico, dass der Süden der Insel von barbarischen Stämmen besiedelt sei und hebt hervor, dass Stammesnamen wie Parisi auf beiden Seiten des Kanals vorhanden sind. Funde von Münzen, italische Weinamphoren, campanisches Bronzegeschirr und gallischer Drehscheibenkeramik deuten auf Handel mit dem Festland hin.
Besonders Funde der eisenzeitlichen Grabhügel der Arraskultur und der eisenzeitlichen Gräber der Aylesford-Swarling-Kultur geben Auskunft über britannisch-kletische Kunst und den damaligen Handel, wie z.B. der britannisch-keltische bronzene Aylesfortbucket und eine bronzene Aylesfortpfanne aus Campanien zeigen.
Für Caesars Feldzüge 55 und 54 v. Chr. Ist die ausführlichste Quelle seine Darstellung im bello gallico. Für viele Details reicht Caesars Bericht leider nicht aus und es sind keine archäologischen Zeugnisse für seine Flotten- oder Marschlager vorhanden. Nach seiner Beschreibung nimmt man an, dass Caesar mit seiner Flotte bei Deal an Land ging. Zudem erfahren wir, dass man bei der Überfahrt wohl das rauhe Klima und die Schwierigkeiten mit den, aus dem Mittelmeergebiet unbekannten, Gezeiten unterschätzt hatte. Weiter berichtet Caesar von gefährlichen britannischen Kämpfern auf Streitwagen, die er aus Gallien nicht kannte, welche aber seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. für Britannien belegt sind, wie Funde von Wagenteilen in Yorkshire zeigen und auch bei Lynn Cerrig Bach auf Anglesey fand man in einem eisenzeitlichen Grab Teile eines Streitwagens.
Motiv dieser Kampagne war die Hoffnung auf große Silbervorkommen, Zinn und persönlichen Ruhm. Doch verfehlte Caesars Expedition die finanziellen Erwartungen. Seine 2. Expedition 54 v. Chr. verlief trotz besserer Vorbereitungen wohl ähnlich. Cicero erhält 54 v. Chr. zwei Briefe von Caesar und seinem Bruder Quintus, die deutlich machen, dass keine Beute gemacht wurde und nur wenige Gefangene gemacht wurden. Cassivelaunus, König der Catuvellauner in Zentralengland wich immer wieder einer direkten Konfrontation aus und bot Caesar schließlich den Waffenstillstand, so dass Caesar als „Sieger“ mit der Abmachung eines Tributs und einigen wenigen Sklaven nach Rom zurückkehrte.
Nominell galt seitdem der Süden der Insel als römisches Einflußgebiet, zumal sich Stämme, wie die Trinovanten, der Ostküste der Insel unter den Schutz Roms stellten. Doch gingen die Feindseligkeiten unter den britannischen Stämmen weiter, ohne dass Rom eingriff. Cassivelaunus kämpfte gegen Mandubracius, Führer der Trinovanten und erzwang eine Koalition beider Stämme unter seiner Leitung. Sein Nachfolger wurde Cunobelinus mit Hauptsitz bei Camulodunum/Colchester, wie man nach einer Goldmünze mit der Inschrift Cuno und Camu die britannische Stammesgeschichte. Anhand von Münzen und Münzprägestätten sind die Zentren der Stämme deren Einfluß auf das Umland nachzuverfolgen. Auch läßt sich eine Dynastie keltischer Herrscher und Namensänderungen bei Stämmen erkennen.
Augustus scheint die Eroberung Britanniens geplant zu haben, läßt die Idee wohl auf Grund seiner Niederlage in Germanien 9 n. Chr. wieder fallen. Caligula (37-41) zieht 40 n. Chr. mit vier Legionen an den Strand des Ärmelkanals und trifft Vorbereitungen für eine Überfahrt. Jedoch weigern sich die Soldaten den beluosus oceanus zu überqueren und kehren mit Muscheln nach Rom zurück.
43 n. Chr. setzt Aulus Plautius, legatus des Kaisers Claudius, mit vier Legionen II Augusta, XIV Gemina, IV Hispana und XX Valeria Vitrix nach Britannien über. Und wieder stehen der persönliche Ruhm des Kaisers und die Aussicht auf Sklaven, Bodenschätze und Perlen im Vordergrund. Ein Teil der Soldaten ging wohl in Rutupiae/Richborough an Land, wo Archaeologische Zeugnisse, u.a. von Doppelgräben auf ein Claudisches Lager deuten. Die Römer unterwarfen die Belger und machten deren Nachbarstämme zu Klientelstaaten. Der bekannteste Klientelkönig war Cogidubnus (Reger). Er führte den Ehrentitel „rex magnus britanniae“ und es wird angenommen, dass er in Fishbourne, nahe Noviomagus Regnensium/Chichester eine „palastähnliche“ römische Villa bauen ließ.
Nach einer erfolgreichen Schlacht, vermutlich am Fluß Medway bittet Aulus Plautius, Claudius nach Britannien zu kommen, der darauf hin Camulodunum/Colchester erobert und neue Klientelstaaten gewinnt. Britannien wird zur römischen Provinz ernannt (43 n. Chr.). Camulodunum/Colchester wird Verwaltungssitz, in welchem künftig der legatus Augusti pro praetore, der kaiserliche Statthalter residierte und welches 49 n. Chr. zur colonia für Veteranen erhoben wird und künftig mit dem Claudiustempel zum Zentrum des Kaiserkultes wird.
Nachfolger des Aulus Plautius ist P. Ostorius Scapula (47-52), der die Entwaffnung der Stämme, besonders der Iceni anordnet und Caratacus, Anführer der Siluren, in Wales besiegt, der daraufhin zu Cartimandua, Königin der Briganten flüchtet, die diesen 51 n. Chr. an Rom übergibt.
Bevor P. Ostorius Scapula 52 n. Chr. stirbt, markiert er die Linie zwischen dem Fluß Severn und dem Fluß Trent, Exeter – Lincoln mit festen Lagern, um das römische und von Klientelkönigen regierte Gebiet zu kennzeichnen. Diese Linie bildet die erste römische Straße und folgt dem Verlauf des „Fosse Way“.
Nach und nach wurden große Teile Süd-und Mittelenglands, dazu Wales zu römischem Provinzgebiet. Es wurden zahlreiche Lager und Kastelle angelegt.
Ein Ereignis von einschneidender Wirkung war der Aufstand der icenischen Königswitwe Boudicca, dem sich unter anderem auch die Trinovanten anschlossen. Prasutagus, König der Icener, 59.n. Chr. gestorben, vermachte sein Reich zu gleichen Teilen seinen beiden Töchtern und dem römischen Kaiser. C. Suetonius Paullinus (59-61), der zuständige Statthalter ignorierte jedoch das Testament und erklärte das Königtum für abgeschafft. Der Aufruhr der daraus entstand erfaßte den gesamten Südosten Britanniens und die gerade erst gegründeten Städte Camulodunum/Colchester, Verulamium/St. Albans und Londinium/London wurden gestürmt und zerstört.
Archäologisch wird die Zerstörung von Camulodunum /Colchester besonders anschaulich. Eine dicke Schicht von Asche und verbranntem Lehmflechtwerk zeugt ebenso davon, wie eine Laden voll geschwärzter Keramik, die zusammen mit in der Hitze des Feuers geschmolzenen Glasgefäße verbrannte. Eine ebensolche Brandschicht findet sich auch bei Verulamium/St. Albans und Londinium/ London.
61 n.Chr. kommt es zwischen Rom und Boudicca zu einer offenen Schlacht. Nach der Niederlage nimmt sich Boudicca ihr Leben mit Gift (Tacitus) oder erkrankt und stirbt (Cassius Dio). Laut Tacitus starben 70000 Bürger und Bundesgenossen während des Boudicca-Aufstandes.
Zwischen 61 und 84 n. Chr. sendet Rom eine Reihe von Statthaltern auf die Insel, die Eroberungsfeldzüge nach Norden gegen die Brigantes und nach Wales in das Gebiet der Siluren unternehmen. Im diesem Zeitraum, kräftigt Rom seine Herrschaft, eine Vielzahl von Kastellvici wird errichtet und die Infrastruktur ausgebaut.
77/78-84 folgt dann der Statthalter Iulius Agricola, Großvater des Tacitus, dessen Werk, De vitae Iulii Agricola eine der bedeutendsten Einzelquellen für das römische Britannien überhaupt ist.
83 oder 84 findet die Eroberung der Insel ihren Abschluß, als das römische Heer am Mons Graupius die entscheidende Schlacht gewinnt und die Linie zwischen dem Firth of Clyde und Firth of Forth zur Nordgrenze der Provinz erklärt wird.
Im Zusammenhang mit dem Agricola-Feldzug entstehen zahlreiche Kastelle in den Glens der Highlands wie z.B. das Kastell von Fendoch. Auch das Lager Inchtuthill wird mit dem Agricola-Feldzug in Verbindung gebracht, auf einem Plateau nördlich des River Tyne ist es das nördlichste römische Lager überhaupt. Das Lager war wohl von 38-86 n. Chr. in Betrieb und in flavischer Zeit das einzige kurzfristig belegte Lager, das bislang bekannt ist. Eine Münze des Domitian 86 n. Chr. terminus postquem wurde in der Zerstörungsschicht eines Tribunenhauses gefunden und in einer Grube fand man über 1000 Eisennägel. Das Lager wurde angezündet, um es dem Feind nicht zu überlassen.
Die folgenden vier Jahrzehnte bleibt es auf der Insel relativ ruhig. Die Legionslager Lindum/Lincoln und Glevum/Gloucester werden zu coloniae umgewandelt und eine ganze Reihe von civitas werden im römischen Stil ausgebaut (Canterbury, Chichester, Cirencester, Exeter, Silchester, Winchester) Die Urbanisieung trägt zur Romanisierung bei.
Die Lager und coloniae konzentrierten sich dann südlich der Tyne–Solway-Linie, die 122 n. Chr. als Hadrian´s Wall ausgebaut wurde, der nördlich entlang der „Stangate“-Straße (Carlisle – Corbridge) verläuft. Der Hadrian´s Wall fungierte wohl als Zeichen für Konsolidierung der Provinz und überwachte den Durchgangsverkehr und Handel beider Seiten. Er wurde im Großen und Ganzen bis in das 5. Jh. n. Chr. gehalten.
Ein besonders gut erhaltenes Lager am Stanegate ist Vindolanda bei Chesterholm, dessen Vindolanda-Schrifttafeln einen Einblick in das Lagerleben geben. Ein weiteres Lager am Stanegate ist Corbridge, wo erstmals der Schienenpanzer aus Funden eines Schrottdepots rekonstruiert werden konnte und wo zudem ein Helmbusch gefunden wurde.
Die Verlegung der Grenze nach Norden und der Bau des Antonine Wall unter Antoninus Pius 142/143 n. Chr. an der Clyde–Forth-Linie mußte bereits vier Jahrzehnte später wieder aufgegeben werden und der Hadrian´s Wall wurde wieder zur Provinzgrenze.
208 n. Chr. trifft Septimius Severus mit seiner Familie und ganzem Hofstaat in Britannien ein. Er unternimmt erfolgreiche Feldzüge nach Norden und läßt den Hadrian´s Wall renovieren. Seitdem ist die Provinz in Britannia Superior und Britannia Inferior unterteilt. Diese Ordnung blieb auch bestehen als Britannien 259 vorrübergehend Teil des gallischen Sonderreiches unter Postumus wird und sich 286 und 297 unter den Usurpatoren Corausius und Allectus ein britannisches Sonderreich bildet, das erst Constantius Chlorus zurückerobern konnte.
Bei der Neuordnung der Provinzen unter Diokletian (384-305) wurden die Insel in vier Provinzen neu unterteilt. 369 wurde noch eine fünfte britannische Provinz eingerichtet.
Die durchgreifenden Reformen der Tetrarchen, der Ausbau der Befestigung im Lande, die Anlage von Küstenbefestigungen, den Saxon Shore Forts (Litus Saxonicum) an der Süd- und Ostküste dienten dazu, Übergriffe der Scotti (Westen), der Picten (Norden) und vom Kanal her der Franken und Sachsen (Süden), abzuwehren. Dabei war die Flotte der Classis Britannica wichtig gegen die Seeräuberangriffe und für die Getreideversorgung des Festlandes.
Ab 360 vermehren sich die Überfälle von außen und die Unruhen in der Provinz werden stärker. Der Saxon Shore gewinnt an Bedeutung. Eine wichtige Beschreibung dieser ist die Notitia Dignitatum. Kastelle des Saxon Shore sind u.a. Brancaster, Bradwell, Boulogne, Dover, Lymphne und Richborough, wo nach der Zerstörung der claudischen Anlage im 3. Jahrhundert ein Kleinkastell entstand und wo der Fund von Kammhelmen des frühen 5. Jahrhunderts auf germanische Truppen hinweist.
Seit dem 4. Jahrhundert wurden immer wieder germanische Gruppen als foederati zum Schutz des Landes aufgenommen und auf römischem Provinzboden angesiedelt.
Auch Gildas, romano-britischer Kleriker schreibt in seinem Geschichtswerk (540), dass man sächsische und germanische foederati zur Verteidigung benutzte, bis es auf Grund von Getreidemangel einen Aufstand gab.
Die Städte erhalten im 3. und 4. Jahrhundert starke Befestigungen und sind bis in das 5. Jahrhundert belegt. Die Villen brechen alle in der Mitte des 5. Jahrhunderts ab, keine Villa bleibt länger erhalten und viele enden mit einer Brandschicht.
Es gibt Funde von Schmuck, Silber/Gold-Horten, aus Angsthorten oder geplündertem Gut, z.B. der Schatzfund von Mildenhall (im British Museum) aus 30 Teilen Silber bestehend oder der spätantike Silberfund Water Newton mit ca. 400 Teilen, viele mit christlichen Inschriften.
408 fallen die Sachsen ein und 409 werden römische Verwalter aus Britannien vertrieben. 410 ist das letzte offizielle Dokument bekannt, Britannien betreffend. Ein Brief des Honorios, nach dem die Provinz von Rom keine Hilfe mehr zu erwarten hat.
Mit dem Beginn des 5. Jahrhunderts treten neue Besiedlungsformen in Britannien auf. Besonders in Mittel-und Südengland trifft man auf viele angelsächsische Gräberfelder. Auch findet man immer mehr Fibeln germanischer Frauentrachten in Gräbern.
Angeln und Sachsen bringen bereits während der ersten Hälfte des 5. Jh. Weite Teile Britanniens in ihren Besitz und drängen die kelto-romanische Bevölkerung zurück, deren Kultur dennoch auf unterschiedliche Weise überdauerte.
In Alchester wurden Reste im Ofen getrockneten Getreides über einer Schicht mit angelsächsischer Keramik gefunden. Dies zeigt unter anderem, dass der romano-keltische Einfluß auch in landwirtschaftlichen Praktiken, besonders im Osten der Insel noch bis Ende des 5./Anfang des 6. Jahrhunderts weiterlebte. Zudem lebte die römische Kultur noch lange im Christentum weiter.
Text und Fotos: M.Stremke