Im Herzen der Römerstadt Aquae Granni, im Schatten der karolingischen Marienkirche – dem heutigen Dom – und zu Füßen des mittelalterlichen Blasiusspitals gelegen, wurde im Zuge von Kanalsanierungsarbeiten 2013/2014 ein wahrhaftiges Juwel bei Grabungsarbeiten am Hof in Aachen gefunden.
Der Hof befindet sich in der Aachener Innenstadt südöstlich unterhalb des Markthügels. Dort reichen die Kulturschichten in eine Tiefe von bis zu sieben Metern, was durch die in dem Band Aquae Granni publizierten Altgrabungen der 50er und 60er Jahre durch Leo Hugot und Walter Sage bereits bekannt war.
In römischer Zeit befinden wir uns hier im Zentrum des römischen Aachen, am nordwestlichen Rande einer großen Platzanlage, dem möglichen Forum. Der Platz war an mindestens zwei Seiten von einer Säulenarkadenwand umgeben. Eine Nachbildung dieser Arkaden ziert heute den Hof, einige der originalen Arkadensteine sind heute im Foyer des Rheinischen Landesmuseums in Bonn wiederaufgebaut. Ein Abschnitt der rückseitigen Wand der Säulenarkade (Portikus) konnte bei den Grabungsarbeiten am Hof erfasst werden. Zudem wurden Hinweise zur Beschaffenheit der inneren und äußeren Bebauung der Portikus gefunden. Auf der Außenseite der Portikus, konnte eine angrenzende Bebauung an diese erfaßt werden. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß es sich hierbei um einen Abschnitt eines an die Portikus anlehnenden Ladenlokals, einer taberna, handelt. Die zugehörigen Wände waren farbig bemalt. Zudem konnten außerhalb der Portikus mehrere Laufhorizonte (Oberfläche eines genutzten Bodens) unterschiedlicher Phasen ausgemacht werden. In einer der dazwischenliegenden Planierschichten des frühen 2. Jahrhunderts wurde eine 1,4 cm große Gemme (Schmuckstein) aus rotem Jaspis mit der Darstellung des Gottes Bonus Eventus (Mitte 1. bis Anfang 2. Jahrhundert n. Chr.) geborgen, die im Oktober 2014 als Fund des Monats im Rheinischen Landesmuseum Bonn ausgestellt wurde.
Die Gemme besitzt einen zur Rück- und Vorderseite leicht abgeschrägten Rand. Auf dem hochovalen Bildfeld ist ein nackter Jüngling mit frontaler Körperansicht und nach links zur Seite geneigtem Kopf dargestellt. Der Jüngling blickt nach unten zu seinem ausgestrecktem linken Arm und hält mit diesem eine Opferschale (patera). Sein rechter Arm hängt locker in Richtung Boden, in der rechten Hand trägt er zwei Ährenbündel. Seine Füße sind nach links gedreht und leicht versetzt. Darunter ist eine kurze Grundlinie erkennbar. Für das Grundschema des Körpers wurde das Schneidewerkzeug vertikal geführt, für die Ausarbeitung der Körpermuskulatur arbeitete der Gemmenschneider horizontal. Das Motiv des nackten Jünglings mit patera und Ährenbündeln ist oft unter der Bezeichnung Bonus Eventus auf Münzen vorzufinden und wird mit der Statue des Euphranor in Rom in Verbindung gebracht. Die Gemme schmückte vermutlich einen Fingerring und sollte dessen Träger unter den besonderen Schutz des Gottes Bonus Eventus (des guten Gelingens) stellen.
Der etwas steife Flachperlstil, der sich hier auf Grund der geraden, oft parallel nebeneinander gesetzten Linien sehr gut bestimmen läßt, deutet auf eine Datierung der Gemme von der Mitte des 1. Jh. n. Chr. bis zum Anfang/ frühen 2. Jh. n. Chr. Der Flachperlstil der Aachener Gemme läßt sich mit einer Vielzahl von ähnlichen Objekten aus mehreren Werkstätten in Aquileia vergleichen, die in diesem Zeitraum dort gefertigt wurden. Auch zeigt sich bei der Herstellung von Gemmen vom Übergang des 1. zum 2. Jh. n. Chr. eine Veränderung in Stil, Inhalten und Motiven und eine Vorliebe für die Verwendung von insbesondere Karneol und rotem, sehr opakem Jaspis. Eine Versteifung der Figuren nimmt zu und Standartmotive, wie der Bonus Eventus auf der „Aachener Gemme“ werden immer geläufiger.
In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern: „Gutes Gelingen!“
Text und Titelbild: Maya Stremke
Vergleichende Literatur zur Gemme:
Literatur zur Geschichte und Archäologie Aachens: