Ein Westerwälder Krug
Immer wieder stößt man als Archäologe auf seinem Weg zu den Römern, der Eisenzeit oder der Steinzeit in den etwas höher gelegenen Schichten auf Funde der Frühen Neuzeit oder auch der Gegenwart. Besonders oft trifft man dabei auf diese grau-blauen Scherben, die wirklich jeder noch aus seiner Kindheit von der Oma kennt. Ausrufe auf der Grabung, wie zum Beispiel, „Ach guck mal, Omas Rumtopf!“ müßte wirklich jeder Archäologe schon mehrfach gehört haben. Gerade hier im Rheinland ist es eigentlich fast unmöglich über einen Acker zu spazieren, ohne unterwegs auf eine solche Scherbe zu stoßen.
Heute bin ich dann beim Aufräumen auch mal auf so ein grau-blaues Kleinod gestoßen und mein erster Gedanke war natürlich bei meiner Oma aus Ostwestfalen und ihrem Rumtopf, mein zweiter dann schon eher der einer Grabungs-geschulten Archäologin “ Och, ich hab ja so ein Westerwälder-Pöttchen…“ Dann habe ich mir die Scherben mal genauer angeschaut und war mir nicht mehr sicher, ist das wirklich Westerwälder oder vielleicht doch eher aus Raeren, ist der Ton nicht doch eher etwas heller und stammt möglicherweise aus einer linksrheinischen Produktion bei Meckenheim oder befinden wir uns hier schon im südlichen Hessen??
Also habe ich mich dann mal mit der einschlägigen Literatur hingesetzt und mich daran gemacht herauszufinden, was ich hier seit ewigen Zeiten rumfliegen habe und auf der Arbeit ständig und immer wieder in die Finger kriege. Es handelt sich dabei zwar nicht um einen Fund vom Acker, auch nicht um einen Dachbodenfund bei meiner Großmutter, nein, ein längst verstorbener Großonkel von mir, hat wohl ganz gerne solche Pöttchen aus der näheren und auch etwas ferneren Umgebung gesammelt. Der Zustand des Gefäßes ist eher schlecht und wo er das Pöttchen wohl her hatte, kann ich heute leider nicht mehr rausfinden.
Hier das Ergebnis meiner kleinen Recherche:
Bei den drei Scherben handelt es sich um die Fragmente eines Zylinderhalskruges aus grauem, salzglasierten Steinzeug mit blauer Bemalung. Von dem Gefäß sind Boden, Bauch und Hals vorhanden, der Henkel fehlt, der Krug ist stark fragmentiert, stellenweise geklebt und unvollständig. Die geschätzte Höhe des Kruges ist ca. 14 cm.
Der Krug besteht aus einem kugelförmigen Bauch auf einer fußähnlich abgesetzen Standfläche. In der Mitte wird die Wandung von einem Wulst unterteilt, darunter befinden sich Kanneluren, die durch ihre dreieckig zulaufenden Zwickel stark an eine umlaufende Säulenstellung erinnern. Über dem Wulst zeigt sich in der oberen Bauch-/Schulterzone des Kruges ein eingestempeltes florales Dekor auf blauem Grund, die Blüten haben einen Durchmesser von ca. 2 cm. Auf dem Zylinderhals befindet sich ein ähnlicher ornamentaler Fries wie schon auf dem Bauch, mit eingestempeltem Blütendekor auf blauem Grund. Die Blüten des Zylinderhalsfrieses sind deutlich kleiner, sie sind in ihrer größten Ausdehnung etwa nur einen 1 cm lang.
Der Zylinderhals-Krug wurde vermutlich in einer der Kannenbäckereien der Westerwald-Region hergestellt und datiert vermutlich in den Zeitraum der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts.
Schon im Anfang des 17. Jahrhunderts fertigten die Töpfer im Westerwald Krüge an, deren Gefäßbäuche in ihrer Mitte ein profiliertes Band in zwei Hälften teilt, das bei besonders prächtigen Krügen als hervorspringendes Gesims verstärkt ist. Auf diese Weise entstanden Krüge mit ei-oder kugelförmigem Bauch. Zirkelschlagornamente, die in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts nur die Schultern der Krüge dekorieren, verbreiteten sich gegen die Jahrhundertmitte über den gesamten Gefäßbauch, wobei gleichzeitig das mittlere Profilband, der Wulst, verschwindet.
Text und Fotos: Maya Stremke
Literaturangabe zum Vergleich:
Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln. Band IV. Steinzeug. Bearbeitet von G. Reineking von Bock, 3. Auflage Köln 1986, S.67 u. 321 f.